Er meldet sich nicht! Medienkompetenz 2.0

Er meldet sich nicht, obwohl er online ist und das macht mich wahnsinnig! Bin ich ihm egal? Liebe in den Zeiten digitaler Kommunikation. Psychotherapie, Kommunikationspsychologie, Kommunikationstraining., Paartherapie in Hannover

Verlustangst in den Zeiten der Sozialen Medien

Viele Gespräche mit Frauen beginnen mit den Worten: "Er hat sich nicht gemeldet, obwohl ich sehen konnte, dass er online war."

 

Abgesehen davon, dass du am Kommunikationsverhalten eines Mannes durchaus ablesen kannst, wie sehr er auf dich steht, kannst du aber auch Fehlinterpretationen unterliegen und dann entsteht ein Todesstrudel.

 

Wenn Frauen merken, dass ihr Partner gerade online ist und die eigenen Nachrichten nicht beantwortet, dann fühlen viele sich schnell ignoriert, vernachlässigt oder zurückgesetzt. Warum das so ist und wie man damit am besten umgeht, soll im Folgenden mal näher beleuchtet werden.

 

Meldet sich ein gewisser Typ Mann länger nicht, steigen in einem gewissen Typ Frau schnell irrationale Ängste auf: "Hat er keinen Respekt vor meinen Bedürfnissen? Bin ich ihm egal? Liebt er mich etwa nicht mehr?! Hat er vielleicht eine Neue?!" Sie sterben jedes Mal, wenn der Partner sich wieder zu lange nicht meldet, einen kleinen Trennungs-Tod. Und je länger es dauert, umso wahrscheinlicher erscheint es liebenden Frauen, dass dem Objekt der Begierde wirklich etwas Schlimmes zugestossen sein muss. So sehr steigern sie sich in ihre Verlassensängste hinein.

 

Warten auf seine Antwort ist, wie im Höllenfeuer zu braten

 

Das stresst diese Frauen jedes Mal enorm. Auch, wenn sie einfach nur eine Weile lang nicht wissen, was er gerade macht, fühlen viele sich schon unbehaglich und nach relativ kurzer Zeit ausgegrenzt. Sie wälzen sich in ihren Minderwertigkeitsgefühlen und werden wütend.

 

Bei Unterlassung haben Männer kein Schuldbewusstsein

 

Sie erwarten von ihrem Liebsten, dass er ihnen solche Wartequalen nicht weiter zumutet, aber sie trauen sich nicht, es ihm zu sagen - und wenn doch, dann aggressiv, weil sie sich unverstanden fühlen und missachtet - dabei weiß der Mann meistens gar nicht, was er falsch gemacht hat, denn er hat ja GAR NICHTS gemacht....!

 

Männer und Frauen kommunizieren unterschiedlich

 

In der Welt unserer digitalen Kommunikationsmittel beobachte ich seit 1996 seltsame Rituale, die, anstatt bessere Kommunikation, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit herzustellen, zwischenmenschliche Beziehungen eher strapazieren und manchmal sogar zerstören. Das Allerschlimmste ist, 24/7 erreichbar zu sein und dies von seinen Liebsten auch zu erwarten. Das geht nicht gut.

 

Viele Frauen, die sich Sorgen machen, merken nicht, dass sie zum Kontrollfreak mutieren. Sie nutzen einfach die wunderbare Technologie der Smartphones, um sich sicherer zu fühlen und nebenbei verlernen sie, zu vertrauen.

 

"IM Schatzi"- wenn Freundinnen sich wie Geheimdienstagentinnen aufführen

 

Die meisten Männer reagieren dagegen völlig anders. Sie denken sich nichts Schlimmes dabei, wenn sie länger nichts von ihrer Partnerin hören oder lesen. Das liegt daran, dass sie kommunikative Abstinenz über relativ lange Zeit gar nicht bewusst als einen Mangel empfinden. Sie genießen vielmehr die Ruhe, die damit einhergeht. Das Abhandensein von Dingen fällt ihnen generell nicht so leicht auf. Das heißt natürlich nicht, dass Männer nicht auch sauer reagieren können, wenn ihre Partnerinnen sie über lange Zeit hinweg ignorieren - aber es dauert bei den meisten Männern eben sehr VIEL LÄNGER als bei den meisten Frauen. Das sollte man beachten.

 

Todesstrudel aus Kontrolle und Ignoranz

 

Je cooler ein Mann sich der Kontaktaufnahme widersetzt, also je resistenter er sich gegen die vermeintlichen Kontrollversuche seiner Frau zeigt, desto hartnäckiger wird dieser Typ Frau, um den es hier geht, versuchen, an ihn heranzukommen.

 

Und was in der ersten Verliebstheitsphase für einen Mann noch schnuckelig wirkt, verwandelt sich bereits in der Etablierungsphase der Beziehung in ein äußerst lästiges Übel. Nach und nach stumpft er ab und das regt sie noch viel mehr auf. Dann zieht er sich zurück und sie wird knatschig. Paul Watzlawick hat dieses Muster bereits als Zickzackkreis aus "er zieht sich zurück/sie nörgelt" beschrieben. Und sobald sie darüber nachdenkt, sein Handy zu kontrollieren, ist das der Anfang vom Ende.

 

Daran erkennst du, dass du Hilfe brauchst, denn das ist das unfehlbare Erkennungszeichen einer völlig missratenen Kommunikation. Obsession ist die grausame Fratze der Liebe.

 

Ausnahmen bestätigen die Regel

 

Leider ist ein Verdacht nicht immer vollkommen unbegründet. Was wir tun sollten, wenn wir es mit einem Lügner zu tun haben, werde ich an anderer Stelle erklären. Bitte geht zunächst davon aus, dass Eure Partner es ehrlich meinen, einfach nur ihre Ruhe brauchen und/oder etwas faul sind.

 

Social Media Nutzung muss dosiert werden - sonst entsteht Stress

 

Angeblich schalten große Konzerne die E-Mail-Funktion ihrer Mitarbeiter am Wochenende und im Urlaub ab. Das ist ein wunderbarer Schachzug auf dem Weg zur Erholung und Regeneration. Und ich rate dies auch jedem, der bei nicht bei einem solchen Konzern arbeitet.

 

Abschalten, um abzuschalten

 

Und das gilt auch in Beziehungen: Wenn ich weiß, dass mein Partner einige Stunden am Tag kategorisch nicht erreichbar ist, dann verändert das mein Kommunikationsverhalten, mein Kommunikationsempfinden und meine Erwartungshaltung.

 

Also vereinbaren Paare frühzeitig Kommunikations-Regeln, sowohl online als auch offline, auch, wenn Euch das komisch vorkommt. Und traut Euch, Eure Wünsche (freundlich!) zu formulieren.

 

Folgendes hat sich bewährt:

 

1. Der Klassiker: "Sag bitte IMMER Bescheid, wenn du gut angekommen bist, ich mache mir sonst Sorgen." Den kennt Ihr schon von Euren Müttern. Fragt nicht, warum liebende Frauen sich einreden, dass Ihr vor einen Baum gefahren seid, sondern meldet einfach: "Bin gut angekommen", das reicht, damit beide Parteien ihre Ruhe haben.

 

2. Auch eine gute Lösung: "Schatz, ich liebe dich, aber ich kann nicht arbeiten, wenn ich ständig aufs Handy schauen muss, um keine Nachricht von dir zu verpassen. Ich schalte das Handy IMMER frühestens vier Stunden später wieder ein, nachdem ich alle Nachrichten beantwortet habe." Damit entgeht Ihr auch einem festen Rhytmus, denn sonst würde pünktlich um 16.00 Uhr wieder Alarmstimmung herrschen, falls Ihr Euch mittags zuletzt gesprochen hättet. Kurz: Jeder muss lernen, mindestens vier Stunden ohne Antwort klarzukommen und vom Schlafengehen bis zum Frühstück, egal wie lange das dauert.

 

3. Das Kommunikations-Rezept für jene, die sich wiederum mehr Aufmerksamkeit wünschen: "Schatz, ich fühle mich vernachlässigt, wenn ich nicht zweimal/dreimal/viermal am Tag von dir höre, dass du mich vermisst."

 

Echt jetzt?

 

Ja, auch wenn es Euch komisch vorkommt, viele Männer begrüßen es, wenn ihre Freundinnen ihre Wünsche so klar und konkret wie möglich formulieren! Sie empfinden es nicht als Vorschrift, sondern es hilft ihnen, ihre Freundinnen besser zu verstehen. Und nein, sie kommen nicht von alleine drauf.

 

Digital Aufgewachsene vs anlag Aufgewachsene

 

Meine Generation ist ja noch um einen Festnetzapparat herumgeschlichen, wenn wir verliebt waren, aus Angst, wir könnten einen Anruf des Geliebten verpassen. Wenn man dann doch mal zum Briefkasten musste, zum Einkaufen oder in die freie Natur, war es natürlich geschehen. Unsere Mütter dann schadenfroh: "Da hat so ein Thomas/Michael/Andreas angerufen...".

 

Ich weine den analogen Zeiten keine Träne nach, aber an die Stelle unserer damaligen Kommunikationsprobleme sind durch das Mobiltelefon/Smartphone und seine Anwendungsmöglichkeiten neue Probleme getreten, deren Auswirkungen längst nicht mehr nur lächerlich sind.

 

Wir haben verlernt zu warten, uns zu langweilen oder uns mit etwas anderem zu beschäftigen

 

Die Möglichkeit der totalen Erreichbarkeit wird zum Fetisch. Wenn die Betroffenen länger nichts von ihren geliebten Partner lesen oder hören, können regelrechte Entzugserscheinungen auftreten und manchmal steigt sogar Panik in ihren auf: fürchterliche Zustände, in denen sie glauben, das Ende sei nah. Sie steigern sich in ihre Verlustangst hinein und ihr Selbstbewußtsein löst sich in Wohlgefallen auf.

 

Wenn deine Vernunft sagt, was mache ich da eigentlich für einen Quatsch - und du trotzdem nicht aufhören kannst

 

Immer, wenn es heißt: "Ich weiß ja, dass es dumm ist, aber ich MUSS ihm schreiben!", dann ist es Zeit, über eine Psychotherapie, z.B. eine Verhaltenstherapie oder eine kognitive Verhaltenstherapie nachzudenken.

 

Loslassen lernen

 

Zuerst lernen Betroffene wie bei einer Panikstörung, ihrem Körper wieder zu vertrauen UND ihrem Partner. Sie lernen, die Stresssymptome, die während der Therapie noch eine Weile weiterhin auftreten, nicht gleich als Vorboten einer großen Katastrophe zu bewerten, sondern sie als kleinere Phänomene zu behandeln und sie sofort durch eine besondere Art der Atmung oder verschiedene, leicht zu erlernende Entspannungsverfahren, einzudämmen. Und sie üben, die Aufmerksamkeit weg vom Handy auf äußere Ereignisse zu lenken - und dabei gut gelaunt zu bleiben.

 

Nach und nach üben wir in der Realität, die Abstinenzphasen auszuweiten und wir verzichten auf böse, ungeduldige, vorwurfsvolle Nachrichten. Kommunikationsverzicht zu üben, das ist am Anfang wirklich schwieriger als Schokolade-Entzug. Schrecklich.

 

Aber wie jeder weiß, kann man nicht NICHT kommunuzieren: Wenn wir uns nicht melden, sagen wir damit auch etwas aus. Das kann bedeuten, "du bist mir egal", das kann aber auch bedeuten, "ich habe gerade etwas anderes zu tun, das auch erledigt werden muss, aber ich liebe dich trotzdem."

 

In der Therapie lernen die Betroffenen, die zweite Variante zu bevorzugen, entspannt mit sich und dem Partner zu umzugehen und sich wieder richtig aufeinander zu freuen. Sie verändern ihr Denken und damit auch ihr Fühlen und Handeln.

 

In der kognitiven Verhaltenstherapie werden die Problematiken und deren Auflösung theoretisch durchgearbeitet und danach in der Realität geübt. So wie man immer wieder einen Handstand üben muss, bis man ihn kann, übt man auch Handy-Abstinenz.

 


Wenn du diesen Beitrag teilen, liken oder kommentieren willst, sei dir bewusst, dass du automatisch einen Teil deiner Privatsphäre aufgibst.