Ein alter Hut, aber Christian Schubert und viele andere - so auch ich - bemängeln, dass diese Erkenntnis noch nicht flächendeckend in den Sprechstunden von Allgemeinärzten umgesetzt wird.
Immer noch getrennt
Dass die moderne Medizin PSYCHISCHE Einflüsse, die stark auf Patienten einwirken, besser berücksichtigen sollte, fordern Psychotherapeuten schon lange. Seelische Störungen können sich körperlich manifestieren, wenn sie zu lange unbehandelt bleiben. Dieser Komplex der „somatoformen Störungen“ ist in der Psychotherapie längst bekannt und in der klassischen Medizin beschäftigt man sich auch mit dem Phänomen der Psychosomatik, doch können wir bis heute wenig Bereitschaft erkennen, psychologische Behandlungsansätze bei körperlichen Beschwerden in der klassischen, biologischen Medizin zu berücksichtigen, geschweige denn interdisziplinär mit Psychologen und Psychotherapeuten bei der Behandlung zusammenzuarbeiten (wenn Ihr Ausnahmen kennt, teilt sie mir bitte mit).
Naturwissenschaftliche Beweise weichen Widerstand auf
In Bezug auf die Ursachenforschung hat Christian Schubert, Arzt, Psychologe und Leiter des Labors für Psychoneuroimmunologie an der Universität Innsbruck klare Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und körperlichen Erkrankungen nachgewiesen und er wünscht sich, dass die Schulmedizin entsprechende Konsequenzen zieht: "Die klassische medizinische Behandlung erschöpft sich leider häufig im Verschreiben von Medikamenten und in chirurgischen Eingriffen“, bemängelt Schubert. Kliniken ähnelten all zu oft Menschen-Reparaturwerkstätten. "Ich bin überzeugt, dass es längst nicht mehr darum geht, dass die Menschen gesund werden. Man verdient viel mehr an kranken Menschen“, sagt er in im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur am 11.03.2017.
Eine Lanze für die Behandlung seelischer Nöte, auch bei körperlichen
Beschwerden
Während der Sendung erzählen verschiedene Hörer ihre Lebens- und Krankheitsgeschichte und bestätigen, dass seelische Störungen zu ihren (chronischen) körperlichen Störungen führten. Diese Berichte hören Heilpraktiker für Psychotherapie übrigens täglich. Eine Anruferin berichtet beispielsweise von ihrer Schilddrüsenerkrankung und wie es ihr geholfen hat, zu erkennen, dass die kranke Schilddrüse häufig im Zusammenhang steht mit einem „ungelebten Leben“ und einem perfektionistischen Anspruch an die eigene Lebensleistung. Fast alle Anrufer berichten von Autoimmunerkrankungen, bzw. ihrem geschwächten Immunsystem. Atopische Dermatitis (Neurodermitis), Asthma, Multiple Sklerose oder Rheuma zählen zu den „Holy Seven“, den Klassikern unter den psychosomatischen Erkrankungen.
Der herablassende Arzt wird nicht länger akzeptiert
Eine weiter Anruferin bringt die Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten ins Spiel: Wie wichtig es sei, dass der Therapeut versuche, den Patienten unterstützend zur Seite zu stehen und dass ein vertrauensvolles Verhältnis bereits zur Heilung beiträgt. Dabei darf jedoch die spezifische Therapie nicht in Vergessenheit geraten: „Zuwendung alleine reicht nicht! Es darf nicht nur Kaffeeklatsch stattfinden“, mahnt Schubert. Andersherum wollen manche nicht gern wahrhaben, was sich ihnen in der Therapie offenbart. Das kann dazu führen, dass sie wieder in Abwehrhaltung gehen - DIE große Herausforderung in der Gesprächsführung bei einer Psychotherapie.
Autonome Patienten halten den Schlüssel zur Heilung in ihren eigenen Händen
Schubert fordert nicht nur mehr Verantwortung bei den Ärzten, sondern auch bei den Patienten: Patienten brauchen Autonomie. Nur autonome Patienten, die Verantwortung für ihre Heilung übernehmen, haben ihre Heilung selbst in der Hand. Er bestätigt damit die Erkenntnisse von Carl Rogers, der postulierte, dass die Lösung in jedem Patienten selbst liegt und wir ihn nur dabei unterstützen können. Wenn wir es ihm vorschreiben, ohne, dass er es selbst versteht und verinnerlicht und dass die Erkenntnis aus ihm heraus entsteht, kann er nicht langfristig geheilt werden. Das ist der Kern der "Klientenzentrierten Gesprächstherapie" nach Carl Rogers.
Dass Mediziner und Psychotherapeuten interdisziplinär zusammenarbeiten sollten, um Patienten mit körperlichen Beschwerden besser helfen zu können, wenn die Ursache ihrer Erkrankung möglicherweise im seelischen Bereich liegt, stellt in der Medizin immer noch einen Paradigmenwechsel dar.
Buchtipp
Christian Schubert erklärt seine verschiedenen Ansätze in seinem Buch "Was uns krank macht, was uns heilt. Aufbruch in eine neue Medizin", erschienen im Fischer & Gann-Verlag 2016, das er zusammen mit der Wissenschaftsjournalistin Madeleine Amberger geschrieben hat.
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Dr. phil. Ariane Windhorst, Heilpraxis für Psychotherapie (HPG), Cäcilienstraße 19, 30519 Hannover
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