Paartherapie ist kein Schiedsgericht - oder doch?

Mit Paartherapie die Beziehung retten. Ariane Windhorst, Praxis für Psychotherapie in Hannover-Döhren auch bei Familientherapie. Eheprobleme, Beziehungsratgeber, Psychologische Paartherapie, Kommunikationstraining für Paare in der Krise, Loslassen

Manchmal ist eine Paartherapie kein Zeichen der Hoffnung, dass ein Beziehungsproblem gelöst werden kann, sondern der Versuch, möglichst schmerzarm, unter professioneller Begleitung und günstiger als beim Anwalt aus der Partnerschaft rauszukommen. Und wir Therapeuten müssen herausfinden, um welchen Fall es sich handelt. Denn wir können nichts retten, was nicht gerettet werden will. Weil beide zu einander oft nicht ehrlich sind, bevorzuge ich es, wenn zumindest am Anfang einer Therapie jeder Partner einzeln erscheint.

 

Die klassische Paartherapie-Situation ist wie ein Boxkampf mit Worten: Es gibt unterschiedliche Kampfstile, meist ist einer der abwartende, der alles nur hinter sich bringen will und der andere ist bestens vorbereitet und hat haufenweise gute Argumente im Ärmel. Immer wieder appellieren sie an mich, dem anderen klar zu machen, dass er falsch liege. Manchmal beherrschen aber auch Kurzangebundenheit, Verbitterung, Ironie und und Zwei-Wort-Kommentare das Gespräch, wie "ja, klar" oder "wer's glaubt". Am Ende soll die Therapeutin erklären, wer nach Punkten gewonnen hat und der Verlierer soll einsehen, dass er sich bessern muss.

 

Kommunikationskultur in der Praxis

 

Wenn es sich  - aus welchen Gründen auch immer - nicht vermeiden lässt, dass beide gleichzeitig in meiner Heilpraxis für Psychotherapie (HPG) in Hannover erscheinen, muss zuerst ein Kommunikationstraining her: Wir vereinbaren eine Kommunikationskultur nach den Grundsätzen der "Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg", das heißt kurz gesagt, jeder verpflichtet sich zur Freundlichkeit, lässt den anderen ausreden und formuliert keine Anschuldigungen, sondern schildert, wie er oder sie die Situation subjektiv empfunden hat. Jeder erhält den nötigen Raum, seine Sichtweise, Wünsche und Vorschläge darzulegen. Manchmal wirkt der "Zwang zur Höflichkeit" allein schon Wunder. Insofern kann ein Therapeut durchaus Schiedsrichter sein. Indem er beispielsweise die Redezeiten regelt oder den Partner, der die Regeln bricht, daran erinnert, was vereinbart war.

 

Die Sache mit der Wahrheit

 

Lügengeschichten zu erzählen lohnt sich nicht, wenn der andere Partner sowieso im nächsten Moment die Schilderung korrigiert - darin liegt der Hauptvorteil einer Dreierkonstellation. Doch es werden, wenn der andere zuhört, viele innere Wahrheiten weggelassen. Beispielsweise, was man in den Situationen gefühlt hat oder dass einer des anderen Stimme nicht mehr ertragen kann, geschweigedenn seine Berührungen oder dass sich ihm der Magen schon zuzieht, wenn der andere den Wohnungsschlüssel im Türschloss herumdreht oder dass man neulich im Büro Sex mit jemand anderem hatte.

 

Auch verfestigt sich in der Dreierkonstellation alles, womit man sich schon lange selbst belügt.

 

Und die Dreierkonstellation tut den Männern nicht gut. Meistens (Ausnahmen bestätigen die Regel) sind sie nicht so gut vorbereitet und sie verfolgen mehr als ein Ziel. Denn zuallererst wollen sie die Situation möglichst ungeschoren hinter sich bringen, daher versuchen sie, wenig Angriffsfläche zu bieten und verschweigen wichtige Punkte, die zu Empörung führen könnten, zum Beispiel, dass sie bereits eine andere lieben.

 

Die Sache mit dem Herzschmerz

 

Egal, ob es ihm oder ihr passiert ist: Um zu klären, ob es sinnvoll ist, in Richtung Rettung zu arbeiten, ist es für alle Beteiligten von großem Vorteil zu erfahren, ob das Herz eines Partners bereits für jemand anderen entflammt ist - etwas, das sie in der Dreierkonstellation zunächst nicht zugeben. Manchmal wollen sie es sich selbst aber auch noch gar nicht eingestehen. Mir erzählen sie es, wenn wir unter uns sind, auch nicht sofort. Erst nach einer Weile wird ihnen klar, dass ihre Zukunft, ihr Glück und das ihrer neuen Partner davon abhängt, dass sie ehrlich zu mir und sich selbst sind. Und dann geht die Therapie erst los. Wir finden eine Strategie, die ihre Verhältnisse in Ordnung bringt, auch wenn es bedeutet, dass man auseinander gehen muss.

 

Eine Geschichte, viele unterschiedliche Erzählungen

 

Am interessantesten ist es, wenn beide die Version des anderen bestätigen: Jeder weiß um seine eigenen Fehler, bzw. was er in den Augen des anderen falsch macht und er weiß, dass er den anderen damit erdrückt, verspottet, demütigt, enteiert und was nicht sonst noch alles, was einer Partnerschaft nun mal nicht zuträglich ist und sie fühlen beide: so geht es nicht weiter. Was nun?

 

So geht es zwar nicht mehr weiter - aber vielleicht anders

 

Fall A: beide möchten es unbedingt noch einmal schaffen, sie wollen sich nicht trennen, sondern zusammenbleiben. Die Beziehung soll weitergehen, aber nicht mehr "so". Sie wollen an ihrer Beziehung "arbeiten". Das an sich ist schon ein umfangreiches Thema - hier nochmal kurz: die Liebe zurückholen durch harte Arbeit? Das halte ich für absurd. Liebe ist nur dann wirklich Liebe, wenn man es gerne macht, sie ist leicht und sexy, sie gibt mehr als sie nimmt und sie reagiert wie ein scheues Reh, wenn harte Arbeit ruft. An der Beziehung zu arbeiten klingt nach gehorchen, einüben, trainieren, dressieren. Doch dann kommt wieder die Lösung aller Lösungen ins Spiel:

 

R.E.S.P.E.C.T - Respekt ist die Lösung

 

In Einzelgesprächen erfahre ich viel eher, ob es noch einen Funken Respekt für den anderen gibt. Solange noch Respekt für den anderen vorhanden ist, kann man die Liebe auch wieder ankurbeln - doch nicht durch Arbeit! Sondern durch die Erinnerung an die schönen Zeiten voller Entgegenkommen, Geborgenheit, Großzügigkeit, Sinnlichkeit und Fröhlichkeit und durch die Bereitswilligkeit, diese Gefühle wieder zuzulassen und dem anderen zu schenken. Damit verbunden ist eben, sich Mühe zu geben und aufmerksamer zu sein. Aber wenn es in Arbeit ausartet und sie sich zwingen müssen, nett zueinander zu sein, dann war es das - dann kann man die Beziehung wirklich begraben.

 

Zwischenlösungen wie Auszeit auf Probe, Trennungsjahr, Wohngemeinschaft?

 

Fall B: Manchmal können sich beide weder für eine Trennung noch für das Zusammenbleiben entscheiden. Dann wird noch eine Weile herumprobiert. Und tatsächlich geht es nur weiter mit einer Partnerschaft, wenn a) noch Respekt für den anderen da ist und wenn b) BEIDE bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Im Großen und Ganzen kann eine Beziehung nur wieder glücklich werden, wenn beide bereit sind, dem anderen Freude zu bereiten. Und das sind dann wirklich oft nur Kleinigkeiten.

 

Bestimmte Wünsche bleiben immer dieselben (z.B. bring auch mal den Müll raus oder stell dein Scheiß-Weinglas nicht in die Spüle, sondern räume es gleich in den Geschirrspüler, das kann doch nicht so schwer sein!) und andere Bedürfnisse verändern sich im Laufe der Zeit (z.B. neue Freizeitgestaltungen, neue Stellungen, neue Rezepte). Eine Beziehung entwickelt sich nur weiter, wenn der andere bereit ist, auch mal was Neues auszuprobieren. Das heißt aber nicht "quid pro quo", so nach dem Motto: wenn du mir öfter die Zehen nuckelst, brate ich dir öfter ein Steak. (Zum Thema, dass es beim Sex auf Praktiken hinauslaufen kann, die der andere aber nicht will, schreibe ich demnächst noch einen Extra-Text, erinnert mich dran). 

 

Wenn aber Schluss sein soll, weil Schluss sein soll? Loslassen-lernen ist kein Scheitern

 

Fall C) Hält der gegenseitige Terror nur deshalb an, weil einer unbedingt raus will aus der Beziehung und der andere sich partout nicht trennen möchte? Da gab es früher das schöne Schuldprinzip: Wer den anderen verlässt, ist schuld - und der zieht aus, zahlt und verzichtet auf die Kinder. Leider hat man solch einfachen und strikten "Los-Lösungen" abgeschafft. Nun geht es darum, wer wieviel bezahlen muss und das richtet sich nicht nur nach den finanziellen Möglichkeiten, sondern auch nach dem Anteil an der Schuld für das Scheitern der Beziehung - denken die Paare.

 

Es wird abgerechnet und jeder verlangt Genugtuung oder Wiedergutmachung für erlittenen Schaden. Und deshalb geht es auch darum, inwieweit derjenige, der zurückbleibt, den anderen vertrieben hat aus der Beziehung. Totale Zeitverschwendung denkt Ihr, aber die Paare brauchen diese AUSEINANDER-SETZUNG, um ihre Geschichte abschließen zu können. Das kostet extrem viel Kraft.

 

Wären sich beide egal, wären sie sich längst gegenseitig den Buckel runtergerutscht. Therapeutisch geht es hier zuerst darum, Schaden zu begrenzen und dann die Integrität jedes einzelnen Partners wieder herzustellen, bevor man darüber nachdenkt, ob es eine sado-masochistiche Amour fou ist (beide wollen es so) oder reine Energieverschwendung.

 

Bei der Paartherapie geht es darum, jedem Partner dabei zu helfen, seine eigene klare Sicht auf die gemeinsame, vergangene Geschichte zu finden, mit der BEIDE ganz gut leben können, wenn es das Ziel ist, die Ehe zu retten. Und diese gemeinsame Geschichte muss gar nicht dem Kriterium der absoluten Wahrheit entsprechen. Es reicht eine relative Wahrheit, die beiden gefällt. Das ist wichtig, wenn sie zusammen bleiben wollen. Und wenn sie sich trennen wollen, ist es wichtig, dass jeder für sich eine Version der Geschichte findet, mit der er dann eben alleine ganz gut weiterleben kann.

 

Das letzte Kapitel ist zuende, das Buch wird zugeklappt und beide haben die Möglichkeit, getrennt voneinander ein neues Buch über den nächsten Abschnitt ihrer Lebensgeschichte zu schreiben. Das geht aber nur, wenn beide erkennen, dass sie doch nicht so gut zueinander passen, wie sie einmal gedacht haben. Wenn Sie zugeben, dass sie sich wohl geirrt haben und nicht noch mehr Lebenszeit in diesen Irrtum vom gemeinsamen Altwerden investieren wollen. Für eine Lebensphase hat es gereicht, aber für den Rest der Strecke auf dem Lebensweg reicht es halt nicht: du schreibst an meiner Lebensgeschichte nicht länger mit. Leb wohl.

 

Heldengeschichten sind es nie. Totale Tragödien aber auch nicht. 

 

Jeder hat eine Version der Geschichte verdient, in der er nicht als totaler Versager dasteht, sondern halbwegs wacker, edel, aufrecht und fair. Und es geht auch darum, eine Version zu finden, in der der andere nicht als totaler Schlappschwanz, Schwachkopf, Schurke, Hexe, Miststück oder Schlampe dasteht. Ganz große Kunst. Viel Arbeit. Manchmal ergibt es sich aber, dass beide feststellen, dass es zwar keine perfekte, aber eine gute gemeinsame Geschichte war und dass sie am nächsten Kapitel dann doch wieder gemeinsam weiterschreiben wollen. In der Psychotherapie für Paare kommt es m.E. darauf an, das gegenwärtige Krisenkapitel im Konsens abzuschließen.

 

Auch, wenn es am Ende heißt: wir sind uns einig darin, dass wir uns nicht einig sind, Hauptsache man geht friedlich in Würde auseinander.

Nicht vergessen: selbstverständlich sind Männer und Frauen gleichermaßen gemeint, wenn zur besseren Lesbarkeit nur von "dem Partner" die Rede war. Hier geht es um klischeehafte Beispielfälle und Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Wenn du diesen Beitrag teilen, liken oder kommentieren willst, sei dir bewusst, dass du automatisch einen Teil deiner Privatsphäre aufgibst. Ich freue mich genauso über eine E-Mail oder Snailmail an Dr. phil. Ariane Windhorst, Heilpraxis für Psychotherapie (HPG), Cäcilienstraße 19, 30519 Hannover-Döhren oder einen Anruf an 0163-2612934. WhatsApp habe ich jetzt übrigens auch...