Wie Männer ihr Glück finden

Männer bleiben Kleinkinder. Mehr Psychologie-Themen im Blog von Dr. phil. Ariane Windhorst, Hannover Döhren

Eine Freundin sagt immer: "Männer werden sieben und dann wachsen sie nur noch". Letzte Woche äußerte sich George E. Vaillant, Psychiater und Leiter der berühmten Grant-Studie an der Harvard University in einem Interview der Süddeutschen Zeitung ganz ähnlich.

 

Männer fragen sich oft, was sie jetzt schon wieder falsch gemacht haben. Ihr Partnerinnen wissen es ganz genau: sie haben sich kindisch benommen und Unachtsamkeit, Faulheit und Schwindeln belasten nunmal die Beziehung. Männer, die nicht so handeln, haben es besser - und die berühmte Grant-Langzeit-Männer-Studie bestätigt das.

 

Diejenigen Männer sind im Leben glücklicher, die nicht immer alles gleich und sofort wollen, die erst nachdenken und ihren Trieben nach lecker, sexy, schnell und gefährlich nicht gleich nachgeben. Für diejenigen, die also die Folgen ihres eigenen Handelns einkalkulieren, steigen ihre Chancen, ein erfülltes, glückliches Leben zu führen.

 

Was das Heer der nörgelnden Frauen schon lange verlangt, ist also wissenschaftlich gesehen, wirklich nicht aus der Luft gegriffen und auch nicht eigennützig: "werd' endlich erwachsen!" ist im Grunde ein Befehl zum Glücklichwerden. Und das ist nur ein Ergebnis der Studie, von dem Vaillant in dem genannten SZ-Interview berichtet. Er sagt ebenfalls: "die wahre Glückseligkeit liegt in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen".

 

Schauen wir uns heute mal die Zusammenhänge an und ergründen, wie er das wohl meint und wie Frauen damit umgehen sollten.

 

Es geht um geistige Reife

 

Die Grant-Studie ist benannt nach dem Millionär W. T. Grant. Er wollte Anfang des 20. Jahrhunderts erreichen, dass die Medizin sich nicht ausschließlich mit Krankheiten beschäftigt und finanzierte eine Studie, die ermitteln sollte, was gesunde Menschen gesund hält. Seit 1939 werden also die Daten von 268 Harvard-Absolventen gesammelt und ausgewertet. Ausschließlich Männer, weil damals in Harvard nur männliche Studenten zugelassen waren. Es werden ihre körperlichen Gesundheitswerte dokumentiert, aber auch wesentliche Lebensereignisse wie Hochzeiten, Scheidungen, Karrierenverläufe, Geburten, Todesfälle, Depressionen und Alkoholabstürze.

 

George E. Vaillant leitet diese Studie seit 1967 und vergleicht die Ergebnisse der Männerstudie in dem zitierten Interview mit der Süddeutschen Zeitung von vorletzter Woche auch mit den Erkenntnissen aus der Praxis. Er resümiert, dass Frauen von Natur aus bessere Geber seien.

 

Großzügikeit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit sind auch männliche Tugenden

 

Geben und Schenken mache zufriedener als Nehmen. Andere Untersuchungen bestätigen ebenfalls, dass Menschen, die sich um andere kümmern, viel zufriedener mit ihrem Leben sind, als jene, die sich nur um sich selbst sorgen. Ein nettes Paradox. Trotzdem sollte man deshalb nicht glauben, dass es Frauen glücklich macht, sich ausnutzen zu lassen. Und  "Frauen sind außerdem reif genug, um mit den Veränderungen im Erwachsenenleben besser umzugehen. Sie sind auf Veränderung programmiert. Männer bleiben Kleinkinder", sagt er. Diese Verallgemeinerung mag manche ärgern, aber auf die glorreichen Ausnahmen kommen wir noch zu sprechen.

 

Ein Teppich, unter den Gefühle gekehrt werden, bleibt nicht liegen

 

Das bedeutet anders herum, dass Männer im Gegensatz zu Frauen mit Veränderungen (die sie nicht selbst verursachen oder mit deren Auswirkungen sie nicht gerechnet haben) insgesamt schlechter klarkommen und dazu neigen, diese Veränderungen lieber zu ignorieren. Das erklärt auch den deutlichen Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und der Wahrscheinlichkeit einer Scheidung. Vaillant geht in dem Interview, obwohl er nicht viel von Psychoanalyse hält, auch auf Verdrängung und andere Abwehrmechanismen ein, er warnt Männer beispielsweise davor, ihre Gefühle unter den Teppich zu kehren: "Heute weiß ich, dass der Teppich, unter den man alles kehrt, irgendwann zu laufen beginnt". Inzwischen ist bekannt, dass unterdrückte Gefühle sich z.B. als Rückenschmerzen äußern, ein typisches Männerleiden, aber sie können noch viel schlimmere Ausdrucksmöglichkeiten finden.

 

Leider gibt es keine vergleichbare Frauen-Studie, weswegen die Aussage, dass Männer generell unreifer als Frauen seien, wissenschaftlich wohl weiterhin unbestätigt bleiben wird. Darüber hinaus waren die untersuchten Harvard-Absolventen insgesamt viel vermögender und gebildeter als der Durchschnitt der Bevölkerung, was die Ergebnisse erst recht schlecht auf die männliche deutsche Durchschnittsbevölkerung übertragbar macht.

 

Reife hilft Männern zu erkennen, wie gut es ihnen geht

 

Insgesamt kann man aus den bis heute vorliegenden Daten schließen, dass geistige Reife der Schlüssel zum Glück ist. Ob Reife aber der Grund für ein glückliches Leben ist, oder ob die Glücklichen einfach nur die nötige Reife besaßen, ihre glückliche Gesamtsituation im Erwachsenenalter auch wirklich zu erkennen und zu würdigen, ist schwer zu sagen. Das ist das Henne-Ei-Problem mit gleichzeitig erhobenen Werten: treten sie einfach nur gleichzeitig auf oder war eins die Ursache des anderen? Also, zerbrechen ihre Ehen, weil Männer trinken oder greifen Männer vermehrt zur Flasche, wenn ihre Ehen scheitern...? Vaillant und Kollegen konnten immerhin ermitteln, dass Neurosen und Depressionen viel eher die Folge von Alkoholmissbrauch sind als deren Voraussetzung.

 

Bindungsfähigkeit ist der zweite Schlüssel zum Glück

 

Vaillant präsentiert auch klare Fakten: ca. 17 Prozent der Teilnehmer waren die »Traurig-Kranken«, die mit der Welt und sich haderten. Bei rund einem Drittel waren Leiden und Zufriedenheit ausgeglichen und ungefähr ein Viertel der Probanden konnten im Alter auf ein im Großen und Ganzen "gelungenes" Leben zurück blicken. Ihnen weitgehend gemeinsam war, dass sie kein Übergewicht hatten, nicht rauchten, nur wenig Alkohol tranken und sich beweglich gehalten haben. Aber nicht nur körperliche Aspekte sind wichtig.

 

Für ein glückliches Leben sei das mit Abstand Wichtigste die Bindung, sagte Vaillant auch bereits 2012 in einem Interview mit Spiegel Online. "Dabei geht es nicht unbedingt um die Bindung zum Lebenspartner, sondern eher um die grundsätzliche Beziehung zu anderen Menschen - und zwar im Sinne einer menschenliebenden und einfühlsamen Verbindung". 

 

Vaillant vermeidet in diesen beiden Interviews den Begriff Liebe. Das liegt wohl daran, dass Liebe nicht zwingend gleichzusetzen ist mit einer guten Bindung. Die Liebe bereitet bei wissenschaftlichen Studien immer Probleme, weil sie so schwer zu definieren ist. In anderen Berichten setzt er sich allerdings über solche Haarspaltereien hinweg und fasst die Ergebnisse zusammen mit den Worten: "Glück ist Liebe. Punkt." 

 

Männer mit 45 sind im Zenit ihrer Weisheit - oder am Ende ihrer Weisheit?

 

In dem erwähnten Spiegel Online Bericht von 2012 weist der Autor darauf hin, dass auch andere Forscher weltweit ebenfalls mit den Grant-Datensätzen arbeiten - und eine Gruppe von Philosphen sei zusammen mit verschiedenen Psychologen nach Auswertung der Gesprächsprotokolle zu dem Ergebnis gekommen, dass (männliche) Weisheit im Alter von 45 Jahren ihren Höhepunkt habe. Sie definierten Weisheit "als die Fähigkeit, von der Unmittelbarkeit des Erlebten einen Schritt zurückzutreten und es aus einer distanzierten, breiteren Perspektive zu betrachten".

 

Bitte lasst Euch das mal auf der Zunge zergehen: Einen Schritt zurücktreten und die Dinge distanziert zu betrachten, bedeutet, sich selbst in größeren Zusammenhängen zu sehen, den eigenen Stellenwert in diesem Gefüge zu erkennen und die Konsequenzen seines Handelns zu bedenken. Das hat sehr viel mit Vernunft zu tun. Genau deren Abwesenheit meint Vaillant, wenn er sagt, Männer blieben Kleinkinder. Kinder wollen immer sofort ihre spontanen Bedürfnisse befriedigen und können die Konsquenzen ihres Handelns schlecht voraussehen. Wenn man es hart auslegt, ist es der Mehrheit der Teilnehmer offenbar nicht gelungen, einen Reifegrad zu erreichen, der es ihnen erlaubt hätte, die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu berücksichtigen und die Folgen vorauszuahnen, die ihr Tun hat. Und die Wenigen, denen es dennoch gelang, erlangten den Zenit ihrer Reife und Weisheit im Alter von 45 Jahren.

 

In der Midlifecrisis sind Männer am weisesten und am unglücklichsten?

 

Das finde ich super interessant: Im Alter von 45 sind Männer also am weisesten. Und bekanntermaßen tritt im Alter von 45  üblicherweise die sogenannte Midlife-Crisis auf, die Lebensphase, in der viele Männer sehr unglücklich mit ihrem Leben sind.

 

Wie kommt es denn, dass so viele der Männer, die im Zenit ihrer Weisheit ihr bisheriges Leben und ihre Beziehungen betrachten und denken, alles sei falsch gelaufen? Sie hadern mit dem bisher Erreichten, mit ihrer Familie, mit ihren Jobs, mit all dem, was sie aufgebaut haben. Liegt es vielleicht daran, dass diese im Alter von 45  zu wenig Bindungsfähigkeit besitzen? Wie ensteht Bindungsfähigkeit? Kann man das beeinflussen?

 

Testosteron-gesteuerte Männer sind weniger vernüftig und weniger treu

 

Vielleicht etwas damit zu tun, dass generell ab 40 auch die Produktion des Sexualhormons Testosteron sinkt, bzw. sinken sollte. In den Interviews wird es nicht explizit erwähnt, aber Testosteron gilt als Risikohormon, das Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein blockiert. Vielleicht sinkt die Produktion erst ab 45 auf ein Niveau, das es den Männern, die nicht in eine Krise geraten, erlaubt, die Vernunft auch mal sprechen zu lassen und dem Bindungshormon Oxytocin eine Chance zu geben? Die Studien, die ich finden konnte, geben keine klare Antwort darauf und wir müssen es also im Moment als vage Vermutung im Raum stehen lassen, dass die Hormonveränderungen in der Lebensmitte der Männer auschlaggebend dafür sein können, ob sie reif genug sind, ihr bisheriges Leben unter dem Aspekt der Vernunft zu betrachten, ihre Bindungen wertschätzen und genießen zu können, was sie aufgebaut haben - oder ob das Gegenteil eintritt: Unzufriedenheit und die Suche nach alternativen Lifestyles. Ob die Midlifecrisis-/Unreife-Variante durch weiterhin zu reichlich Testosteron-Einfluss in der Lebensmitte verursacht wird und wie hoch der Einfluss weiterer Aspekte ist, muss Gegenstand weiterer Forschungen sein.

 

Ob Männer immer Kleinkinder bleiben, hängt nicht nur von den Hormonen ab

 

Auch die Midlife-Crisis als solche ist wissenschaftlich nicht belegbar. Trotzdem ist das Syndrom allgemein anerkannt, weil es die Erfahungen der Lebenswelt bestätigt. Wie hoch der Anteil an Männern ist, die eine Midlifecrisis bekommen und wie hoch der Anteil derer, die mit schon 45 erkennen können, dass sie ein gutes Leben haben, ist nicht ganz klar. Fest steht, dass die erwähnten 25 wirklich glücklichen Prozent erst im hohen Alter angaben, dass sie insgesamt auf ein gutes Leben zurückblicken.

 

Um das Glücksniveau des durchschnittlichen deutschen Mannes in der Lebensmitte festzustellen, müssen Studien erstellt werden, die sowohl mehr von der Sorte Otto Normalverbraucher erfassen, als auch deren Hormonsituationstatus engmaschig feststellen und den dann in Korrelation zu den jeweiligen Lebensereignissen setzen. Das wäre super aufwendig, aber diese Erkenntnisse würden uns weiter bringen.

 

Sex, Lügen und Religion

 

Nicht nur die Hormone beeinflussen die Gefühle, sondern Lebensereignisse beeinflussen wiederum die Hormonausschüttung und damit auch die Gefühle. Leider ist das längst nicht allumfassend erforscht. Ich glaube nicht, dass es gelingen kann, diese Zusammenhänge wissenschaftlich präzise genug nachzubauen, um wiederholbare Ergebnisse zu erreichen. Menschen sind viel zu komplex. Und eine weitere wichtige Komponente erschwert das Ganze noch: Lügen. Wenn Menschen gefragt werden, wie viel sie wiegen, rauchen oder verdienen, neigen sie dazu, die Wahrheit beschönigend zu verbiegen.

 

Daher glaube ich, dass zumindest die Angaben der jungen Harvard-Männer Ende der Dreißiger Jahre bestimmt nicht in allen Punkten der Wahrheit entsprachen, auch wenn sie anonym erhoben worden sind. Einer der wenigen, die nicht anonym blieben, war der sexsüchtige und medikamentenabhängige Katholik John F. Kennedy - und da sind sie wieder, unsere Probleme mit Sex, Lügen und Moral in der empirischen Sozialforschung.

 

Linke haben haben länger Sex

 

Auch wenn die Angaben des 35. Präsidenten der USA die Ergebnisse vielleicht verzerrt haben mögen, so möchte ich Euch trotzdem weitere interessante Ergebnisse der Studie nicht vorenthalten:

 

Was lernen Frauen aus den Ergebnissen? Nun, kurz gesagt, wenn sie einen abbekommen haben, der sein Kleinkindwesen einfach nicht ablegen kann, dann haben sie einen abbekommen, der sein Kleinkindwesen einfach nicht ablegen kann. Punkt.

 

So traurig diese Mitteilung auch ist: sie müssen entweder lernen, diese Männer so zu nehmen, wie sie sind oder ihre Sachen packen. In den seltensten Fällen lassen erwachsene Männer sich nämlich ändern und wenn ihre Frauen es versuchen, reiben sie sich nur auf. Wie man mit einem Kleinkindmann trotzdem glücklich werden kann, kann man üben, aber das hat viel damit zu tun, was Vaillant meint, wenn er sagt, Frauen könnten besser geben... Ich glaube nicht, dass Frauen ihre erwachsenen Männer umerziehen können, aber ich bin sicher, sie könnten sich selbst besser entfalten, Grenzen setzen und eine klarere Sprache sprechen.

 

Am Schluss des oben erwähnten SZ-Interviews diagnostiziert Versuchseiter Vaillant übrigens den USA insgesamt totale Unreife. Die Amerikaner wollten alles, was Spaß mache, immer sofort, ganz egal, welche Konsequenzen das nach sich zieht: "zu viel Salz, zu viel Zucker, zu große Portionen, zu große Häuser, zu große Autos. Unsere Gründungsväter hatten das sicher nicht gemeint, als sie das Streben nach Glück in die Verfassung schrieben. Das richtige Maß ist wesentlich. Wären wir Tiere, würden wir nur der Lust folgen. Sind wir aber nicht. Glückseligkeit bedeutet, die sofortige Befriedigung zu vermeiden. Sie führt zu Abhängigkeit und Exzess - dem genauen Gegenteil von Glück".

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