Muttertag oder Vatertag? Mehr Familientage!

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Rollenbilder verändern sich - Orientierung geht verloren

 

Grob gesagt, hatten Väter früher nur ordentlich Geld nach Hause zu bringen, Mütter hatten gut zu kochen und Kinder hatten ihre Schulaufgaben zu machen und gelegentlich im Haushalt mitzuhelfen. Darüberhinaus sollten sie wieder zuhause sein, bevor es dunkel wurde. Ab und zu ein gemeinsamer Auflug oder ein Familienfest - und so gingen die Jahre familientechnisch vorüber, bis Kinder groß waren.  Heute haben wir mehr Freiheit und mehr Selbstverwirklichungsspielraum, aber auch mehr Unsicherheit. Die Aufgabe, ein Familienleben zu pflegen, sich zusammen etwas aufzubauen und seine Kinder ohne Schaden ins Erwachsenenalter zu befördern, bringt Eltern oft an den Rand der körperlichen und geistigen Erschöpfung.

 

Wir wollen immer alles richtig machen

 

Abgesehen davon, dass die alten Ideen aus dem 20. Jahrhundert immernoch in vielen Köpfen als Massstab verankert sind, ist es auch heute mit all der Freiheit sau-anstrengend, ein Familienleben zu führen, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr so gegeben sind. Beispielsweise ist es heute praktisch unmöglich, als Hausfrau glücklich zu werden, denn es ist gesellschaftlicher Konsens, dass junge Mütter frühzeitig wieder arbeiten gehen - oft müssen sie das auch, denn ein normales Gehalt reicht meistens nicht mehr aus, um den Lebensstandard zu halten. 

 

Gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen und gleichzeitig Kinder großzuziehen - können wir uns bitte jetzt und hier, zur Feier des Muttertages, ja nochmals vergegenwärtigen, was das bedeutet? Die richtige Ernährung, die richtige Impfung, die richtige Ärztin, das richtige Spielzeug, die richtigen Textilien, der richtige Kindergarten,  der richtige Schulweg, das richtige Auto, der richtige Kindersitz, der richtige Kinderhelm, die richtige zweite Fremdsprache und das richtige Instrument, im richtigen Alter, neben der richtigen Sportart. Die richtige Schule, die richtige Fächerkombination und der richtige Umgang. Überall Fehlerpotential: Wenn wir nur eine falsche Entscheidug treffen, sind unsere Kinder für den Rest ihres Lebens geschädigt. So stressen sich viele Mütter und Väter ständig selbst.

 

Jede Entscheidung könnte ein Riesenfehler sein

 

Dann noch das Timing: Die Krankenkassen geben ja zum Glück die Zeiten für die fälligen Kinderarztbesuche mit den praktischen U-Untersuchungen vor und das Alter für die Einschulung steht mehr der weniger fest. Aber: wann geht die Mutter wieder arbeiten und kann sie ihre verpassten Rentenanwartschaften nachholen? Wer geht wann in Elternzeit? Wann sind die Kinder reif für Fremdbetreuung? Welcher Hort? Welcher Hort hat überhaupt wann einen Platz frei und ist da die Rückkehr in den Beruf schon unter Dach und Fach? Wenn der Hort 500 Euro kostet, lohnt es sich da überhaupt, dass Mama in Teilzeit arbeiten geht? Wann kauft wer ein, wann wird was gekocht, wann wird wie gegessen? Bio, glutenfrei, fettarm, eiweissreich, vegan, low carb? Wann wird ferngesehen? Wird überhaupt noch ferngesehen? Wie oft pro Woche baden? Welcher Badezusatz? Doch nicht der mit Nanopartikeln! Und dazu fluoridfreie Zahnpasta? Wann muss man schwimmen und eine Schleife machen können?

 

Parität - beide Eltern sollten gleich viel leisten - auch finanziell?

 

Das alte Rollenbild, in dem Väter fein raus waren, wenn sie einmal im Monat eine Gute-Nacht-Geschichte vorlasen, ist futsch. Heute wird von Vätern erwartet, spätestens, sobald die Mütter wieder arbeiten gehen, auch im Haushalt und bei der Kinderbetreuung die Hälfte zu leisten.  Außerdem wollen viele Väter auch gerne wesentlich mehr an der Entwicklung ihrer Kinder teilhaben!

 

Nur ab und zu "mal etwas mehr mithelfen" birgt Konfliktpotential, ganz abgesehen davon, dass Väter vieles genausogut oder sogar besser können, gibt es viele unsausgesprochene Erwartungshaltungen innerhalb der Partnerschaft und innerhalb der Gesellschaft und keiner traut sich, seine Wünsche RECHTZEITIG auszusprechen. Ob es beispielsweise für Väter schön ist, acht bis zehn Stunden am Tag Karriere machen zu müssen, ist nicht gewiss.

 

Wann durftest du mal wieder so richtig schön faul sein, ohne schlechtes Gewissen?

 

Väter sollen nicht nur gleichviel zu Hause mithelfen, sondern gleichzeitig den gemeinsamen Lebensstandard halten und ihre Partnerin möglichst so absichern, dass diese durch ihre Karrierepause keine finanziellen Nachteile hat. Was? Ihr habt darüber gar nicht gesprochen? Ich habt Euch vor der Familienplanung keine Gedanken gemacht, wie die Mutter finanziell abgesichert wird? Na, Prost Mahlzeit, das ist Sprengstoff... Und wenn Ihr geheiratet habt, habt Ihr doch hoffentlich einen Ehevertrag gemacht? Ja? Na, dann ist es ja gut. Ich kenne übrigens kein Ehepaar, das es bereut hätte, einen Ehevertrag gemacht zu haben. Menschenskinder.

 

Wann haben die Eltern Zeit für sich?

 

Wann die Eltern noch Zweisamkeit miteinander erleben können, ist auch ein unausgesprochenes Riesenthema. Ja, selbstverständlich brauchen sie auch mal etwas Zeit, um in Stimmung zu kommen, aber auch für vermeintlich weniger wichtige Unternehmungen, wie Spaziergänge und Gespräche u.s.w., müssen sie sich verabreden. Noch viel wichtiger finde ich, dass jeder denn auch mal alleine für sich sein kann. Und zwar nicht nur im Bad, sondern auch einfach mal so, ganz allein für sich, um einen Gedanken auch mal zu Ende denken zu können.

 

Eine funktionierendes Familienleben ist möglich

 

Die perfekte Familie muss generalstabsmäßig geplant und durchorganisiert werden: Jedes Mitglied muss sich seiner Rechte und Pflichten und seines Geld-und Zeit-Budgets bewusst sein und sich daran halten -  dann kann es halbwegs reibungslos klappen. Wahnsinnig anstrengend. Das Problem ist der Perfektionsanspruch. Wer hat das eigentlich erfunden?  

 

Dabei finde ich es durchaus sinnvoll, dass Familien die Kunst einer Familienkonferenz idealerweise einmal pro Woche pflegen:  alle Mitglieder sprechen sich alters- und reifegerecht miteinander ab, welche Rechte und Pflichten jeder in den kommenden sieben Tagen hat. Das ist sich genauso gut bewährt, wie das regelmäßige gemeinsame Essen am Tisch.

 

Aber wo bleibt der Spaß?

 

Wenn die Kinder als als ätzend empfinden, mit den Eltern zusammen zu essen, sollte man sie nicht zwingen, sondern eine Atmosphäre schaffen, die die Kinder einlädt, gerne daran teilzuhaben. Was ist denn so schwer daran?

 

Jeder von uns hat Idealvorstellungen vom Leben und vom richtige Lifestyle und wenn wir eine Familie zu gründen, verfallen wir immer in die selben Klischees. Daher glaube ich, dass es irgendwie archetypisch in uns angelegt ist, dass wir in jungen Jahren davon träumen, mit unseren Kindern Pickniks zu machen, dass Väter mit ihren Kindern ballspielen und Mütter die Kunst des schönen Ankleidens pflegen wollen. In der Familienrealität gibt es aber leider nur sehr wenige Momente, in denen diese hellblau-rosa Wunschträume ausgelebt werden können und ich befürchte, wenn man es einmal mitzählen würde, würde herauskommen, dass sich Mütter mit jedem Kind höchstens drei Mal im Leben bei der Frage der richtigen Bekleidung einig sind und dass Väter durchschnittlich einmal pro Kindheit pro Sohn richtig viel Spaß beim Fussballspielen auf einer Wiese haben. 

 

Manchmal beginnen wir, in unserem Familienleben gute Momente künstlich herbeizaubern zu wollen und wenn sie da sind, bemerken die Kinder deutlich, ob die Freude jetzt echt ist oder gespielt - und spätestens, wenn der Zwang zum Glücklichsein in den Zwang zum Glücklichmachen umschlägt, ist ein Familienfest verdorben. Ich glaube, deshalb hat man bei vielen Gelegenheiten das Beschenken hinzuerfunden, damit zumindest die Kinder sich trotzdem darauf freuen. Kinder sind nämlich bestechlich.

 

Übrigens sind wir alle bestechlich. An Muttertag kennt wieder jeder seine traditionelle Rolle und einmal im Jahr einen Frühstückstisch mit Blümchen und Orangensaft hinzukriegen, ist ja nun wirklich nicht so schwierig.

 

Und was ist an den anderen 364 Tagen? Da klappt das nicht und trotzdem finde ich, könnten wir uns auch ohne Feiertage miteinander ein klein wenig mehr Mühe geben. Und auf der anderen Seite bitte ich Euch auch, Euch trotzdem nicht immer so viel Mühe zu geben!

 

Wir schaffen das schon - das Problem mit den Erwartungshaltungen

 

Liebe Eltern, wie wäre es, wenn Ihr nicht an der perfekten Familie scheitern würdet? Ich schlage vor, Ihr strebt nur einen 75%igen Perfektionsgrad an und verpflichtet Euch, kategorisch 25% offen zu lassen für Faulheiten, Träumereien, Schusseligkeiten, Vergesslichkeiten, Alleinesein, Extase, Kreuzworträtseln, Loch in die Wand starren. Und Ihr nennt das einfach "Erfahrung sammeln", "Meditation" oder "Kopfyoga".

 

Einmal pro Woche wird eine Familiensitzung gemacht und jeder packt ehrlich aus, was er alles geschafft hat und hoffentlich auch, was alles zum Glück nicht geschafft wurde, was liegen geblieben ist, was nachgeholt werden kann oder auch nicht, was man eigentlich gar nicht braucht, weil sich herausstellt, dass es total wurscht ist. Dann erzählt Ihr Euch gegenseitig, ob Ihr stattdessen etwas geträumt habt, ein Luftschloss gebaut habt oder einfach mal eine Stunde nur schön gemalt oder gebastelt habt oder wunderbar UNPRODUKTIV wart.

 

Dann macht Ihr den Plan für die kommende Woche und wenn Ihr Lust habt, könnt Ihre ja das Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel herausholen und eine oder zwei Runden zusammen spielen.

 

Wie immer gilt: hier werden Klischees behandelt und selbstverständlich bestätigen viele prachtvolle Ausnahmen die Regel.

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